Die Radio 8-Hörerreise 2018

Tag 12 - 31.10.2018
Abschied von Myanmar! Der letzte Tag unserer Reise ist da. Während die einen im Hotel in Rangun entspannen, genießen andere die letzten Stunden in Myanmar in den quirligen Straßen der Millionenstadt. Ich fahre zuerst zur Sule-Pagode. Blumen für Buddha – mein Dank für eine erlebnisreiche und unfallfreie Reise. Bei meinem Spaziergang durch Little India und Chinatown sauge ich noch einmal all die verschiedenen und exotischen Eindrücke auf, genieße mein geliebtes Südostasien. Es geht vorbei an kleinen Garküchen mit leckersten Verlockungen, ich blicke in Läden, die kaum größer sind als eine Abstellkammer, schaue Handwerkern bei ihrer Arbeit zu, staune über Berge von Textil auf dem alten Markt und kann mich auf dem Obst- und Gemüsemarkt kaum sattsehen. In einer kleinen Gasse stoße ich auf einen Hindutempel. Neugierig schau ich rein und werde auch gleich von einem älteren Herrn eingeladen, einzutreten. Wir kommen auf Englisch ins Gespräch. Ich erzähle ihm von unserer Reise und vom anstehenden Abschied. Er dankt mir für den Besuch in Myanmar. Der Priester des Tempels mit den vielen Hindufiguren spendet mir den Segen. Immer wieder werde ich gefragt, was mich an Südostasien so begeistert, weshalb meine Reisen gerade hierher führen. Es ist die Offenheit der Menschen! In keiner anderen Ecke der Welt habe ich das so erlebt. Die Reise nach Myanmar hat mir das erneut bestätigt. Oft wurde ich bereitwillig in Häuser gebeten, hat man mir mit Freude Einblick in den Alltag ermöglicht, wir haben zusammen gegessen und getrunken, viel gelacht oder waren nur schweigend beisammen gesessen und haben uns dennoch dabei bestens unterhalten gefühlt. Nie gab man mir das Gefühl, unerwünscht zu sein – das Gegenteil war der Fall. Oft haben die Menschen dafür gedankt, dass wir uns mit dieser Reise für ihr Land interessieren und damit auseinandersetzen. Für mich persönlich war es spannend, die Veränderungen seit meiner letzten Reise beobachten zu können. Vieles hat sich tatsächlich zum Besseren gewandelt, einige Entwicklungen stimmen mich traurig. Die Menschen in Myanmar sind mir noch mehr ans Herz gewachsen. Danke für die Zeit und sicher bis bald!
Tag 11 - 30.10.2018
Was für eine Ruhe! Nein, nicht am, Strand von Ngapali. Wir sind inzwischen in der Millionenmetropole Rangun angekommen. Der Verkehr hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Doch noch können sich die wenigsten Bewohner der Megacity ein Auto leisten. Der Verkehr rollt, es geht aber recht ruhig und entspannt zu. Kaum ein Hupen ist zu hören. In Rangun ist es verboten, auf die Hupe zu drücken. Sonst ist das Nationalsport der Burmesen. Das Hupverbot wurde aus Gründen des Lärmschutzes erlassen, heißt es. Eine durchaus wohltuende Entscheidung. Für eine 6-Millionenstadt in Südostasien wird hier wenig gehupt. Mofas, Mopeds und Motorräder wurden aus der Innenstadt verbannt, was die Verkehrslage ungemein entspannt. Die Geschäftshäuser von Rangun werden höher und protziger. Die wirtschaftliche Öffnung des Landes ist unübersehbar. Die Menschen in Rangun spüren das vor allem an den rasant steigenden Mietpreisen. In den vergangen 10 Jahren haben sich die Mieten für Wohnungen im Zentrum locker verdoppelt. Die Gehälter lässt das kalt, sie gehen den Anstieg nicht entsprechend mit. Viele Innenstadtbewohner sind in kleinere Wohnungen gezogen oder leben nun in den schnell wachsenden Außenbezirken. Rangun ist mit anderen asiatischen Metropolen wie Bangkok, Singapur oder Kuala Lumpur nicht zu vergleichen. In Rangun herrscht noch immer - trotz der 6-Millionen-Einwohner - eine gewisse Beschaulichkeit. Darin liegt der Reiz dieser Stadt. Die Engländer haben prächtige Kolonialbauten hinterlassen. Nach der Unabhängigkeit in den späten 1940er Jahren wurden diese Gebäude eher als Makel im Stadtbild gesehen, als unliebsame Erinnerung an die Zeit unter britischer Verwaltung. Weil man sie aber nutzen konnte, wurden viele von ihnen nicht abgerissen – aber auch nicht gepflegt. Die Zeit und vor allem die extreme Witterung der Tropen hinterließen ihre Spuren. Nun ist das Interesse an den Bauten aber erwacht. Die bröckelnden Gebäude sollen mit internationaler Hilfe gerettet werden. Über allem thront die weltbekannte Shwedagon, die größte Pagode der Welt. Um sie muss sich niemand sorgen, sie ist höchstes Heiligtum des Landes. Spenden der Gläubigen sichern ihren Erhalt. Reiche Familien geben ein kleines Vermögen, um ihren Teil zum Erhalt beizutragen. Der Weg für ein gutes nächstes Leben soll so geebnet werden. In ihrer Spitze hängen Tonnen an Edelsteinen. Auch das Spenden gläubiger Buddhisten. Der Wert kann nur grob geschätzt werden, zig Milliarden sollen es inzwischen sein. Die 90-Meter hohe Stupa glänzt golden. Echtes Blattgold ist hier aufgetragen und wird alle vier Jahre erneuert, Zentimeter für Zentimeter. Denn die Shwedagon darf nie an Glanz verlieren.
Tag 10 - 29.10.2018
Ausflug mit dem Roller! Übrigens ein elektronisch betriebenes Modell. Muss mich allerdings daran gewöhnen, dass die Maschine keinen Laut von sich gibt. Nicht selten sind andere Mopedfahrer leicht irritiert, wenn ich ohne Geknatter überhole. Hin und wieder hupe ich dabei, damit sich was rührt. Ist Landessitte. Will mich den Gepflogenheiten ja anpassen. Erstes Ziel ist Thandwe, ein kleines verschlafenes Provinznest. Hier ließe sich ohne Aufwand ein alter Südostasien-Film drehen. Rikschas rollen durch die Straßen, die Fahrer tragen große Strohhüte, am Markt herrscht geschäftiges Treiben, alte Holzhäuser prägen das Stadtbild. Das Bild wird lediglich durch ein modernes und viel zu groß wirkendes Gebäude gestört: es gehört einer Bank! Der Abstecher nach Thandwe hat sich gelohnt. Mein eigentliches Ziel heute sind aber die Fischer im Süden des Ngapali-Strandes. Einer der Männer lädt mich ein, sein Dorf kennenzulernen. Für einen Burmesen ist er außergewöhnlich groß, voll tätowiert und äußerst muskulös. Sein Englisch ist gut, eine Ausnahme hier. Er erzählt mir, dass er sonst im Tourismus am Strand gegenüber als Bootsführer arbeite. Doch in diesem Jahr sei alles anders. Die Ereignisse um muslimische Flüchtlinge aus Myanmar hätten die Tourismuszahlen einbrechen lassen. Für ihn bedeute dies, keinen Job zu haben. So arbeitet er eben wieder als Fischer. Besser als gar nichts, sagt er. Die gesamte Umgebung leide unter der Flaute. Umso mehr freut es ihn, als ich von unserer Reisgruppe erzähle: „Jeder von Euch bringt uns Arbeit!“ Das Dorf ist eine Ansammlung aus Hüttchen, oftmals nicht viel mehr als zusammengebundene Bambusmatten. Am Brunnen waschen sich einige Männer, Kinder spielen mit Murmeln, Feuer für das Abendessen werden entfacht. Und überall Müll. Am Strand, auf den Wegen, zwischen den Hütten. Als hätten diese Menschen keine Kraft mehr, ihrem kargen Leben zumindest einen besseren Anstrich zu verpassen. Wo ich auch im Dorf hingehe, werde ich auch hier – wie schon gestern im anderen Viertel – freundlich empfangen. Von meinem Begleiter hatte ich mich längst verabschiedet. Er musste sein Boot für das Auslaufen bei Sonnenuntergang fertigmachen. Am kleinen Dorfkiosk – eine windige Bretterbude – lasse ich für einige Männer eine Runde Myanmarbier springen. Wir sitzen da, trinken, schauen in Richtung mehr und schweigen. Der Abschied jedoch ist herzlich. Während ich diese Zeilen schreibe, leuchten vom Meer die Lichter der Fischerboote herüber. Die Jungs schuften da draußen für einen Hungerlohn und hoffen dabei auf wieder mehr Tourismus. Ich wünsche es Ihnen von Herzen!
Tag 9 - 28.10.2018
Das Paradies endet bereits an der nächsten Ecke. Der Strand von Ngapali hat zwei Gesichter. Auf der einen Seite zwischen den Palmen versteckte Resorts. Doch schon wenige Meter dahinter lauert bittere Armut. Niemand muss hinschauen. In den Resorts wird genug Ablenkung geboten, damit die Umgebung nicht aufdringlich wird. Ein Moped rollt mich in die andere Welt. Die ältere Dame vom Verleih verblüfft mich. Offenbar hat sie mit Ausländern bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht. Ich darf den Roller einfach mitnehmen. Sie verlangt weder eine Passkopie, keinen internationalen Führerschein, keine Kaution. Sie sagt nur: „Ich vertraue Dir!“. Abseits der neu gebauten Hauptstraße führen Schotterpisten durch die Palmenhaine. Nur wenige aus Stein erbaute Häuser gibt es hier. Zwischendrin stehen einige recht komfortable Holzhäuser. Doch die meisten Menschen leben in aus Holz, Strohmatten und Wellblech zusammengezimmerten Behausungen. Strom und Frischwasser: Fehlanzeige! Ich steige ab. Mein Roller kommt auf dem schlechten Weg nicht mehr weiter. Kinder rufen mir „Mingalaba“ zu, so begrüßt man sich in Myanmar. Erwachsene lächeln, staunen über den ungewöhnlichen Besuch in ihrem Viertel. Oft scheint sich hierher kein Ausländer zu verirren. Kein misstrauischer Blick, keine Spur von Abneigung. Im Gegenteil! Ich schaue in aufgeschlossene Gesichter. Die Neugierde ist auf beiden Seiten enorm groß. Wo ich auch auftauche, ich werde freundlich empfangen. Viele dieser Menschen arbeiten als kleine Handwerker oder Fischer. Harte Arbeit bestimmt ihren Alltag. Vor allem die Frauen beeindrucken mich. Auf einer Baustelle sehe ich sie, in sengender Hitze, Eimer mit heißem Teer schleppen. Am Fischerhafen füllen sie getrockneten Fisch in große Körbe und tragen diese an Stangen zur Fischfabrik. Eine elende Schufterei! Der Tourismus hat neue Arbeitsmöglichkeiten an den Strand gebracht. Die Hotels beschäftigen viel Personal. Neue Geschäfte haben sich angesiedelt, Restaurants wurden eröffnet. Ein Lichtblick für Ngapali. Dennoch ist hier für viele Menschen ein besseres Leben noch weit entfernt. Am Abend bringe ich den Roller zurück. Meine Reservierung für den nächsten Tag freut die Dame sehr. Den ersten Tag möchte ich sofort bezahlen. Darf ich aber nicht! Sie sagt: „Zahl morgen Abend beide Tage. Ich vertraue Dir!“. olHolzhäuser.